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Das Junker­haus in Lemgo

Künstlerhäuser: Junkerhaus in Lemgo

Häuser – Hüllen, die Lebens­ge­schichten umgeben, sie prägen. Manchmal Bühnen für Schick­sale, glück­liche, trau­rige, aufre­gende, ziel­lose, hoffnungsvolle…
Es gibt unzäh­lige Häuser, an denen wir vorüber­ziehen, ohne ihre Geschichten zu kennen.
An manchen Häusern bleibt unser Blick jedoch hängen. Neugierig schauen wir über den Garten­zaun, versu­chen einen Blick in ein Fenster zu erha­schen. Wer mag hier wohnen? Was hat es mit diesem Haus auf sich?

Die Werkstatt im Künstlerhaus von Karl Junker

Karl Junker – ein Haus, ein Leben

Wenn ich an alle Häuser denke, die ich kenne, so ist das Junker­haus das wohl ungewöhnlichste.
Bereits als Kind habe ich es während unserer Urlaube im Lipper­land mit meinen Eltern oft neugierig und faszi­niert erforscht. In diesem Sommer habe ich es besucht, um es meinen Kindern zu zeigen.
Das Haus des Künst­lers, Archi­tekten und Holz­bild­hauers Karl Junker steht etwas erhöht am Rande der Alten Hanse­stadt Lemgo.

Das Bunkerhaus in Lemgo

1889 begann Karl Junker mit dem Bau seines Hauses.
Viel­leicht inspi­rierte ihn die Vision von einer intakten Familie, einer glück­li­chen Kindheit?

Es würde mich nicht wundern, begann doch sein Leben  düster. 1850 wurde Karl Fried­rich Junker in Lemgo geboren. Im Laufe seiner ersten sieben Lebens­jahre starben kurz nach­ein­ander seine Eltern und sein kleiner Bruder. Karl wuchs bei seinem Groß­vater auf, dessen Haus ein halbes Jahr nach dem Tode seines Vaters niederbrannte.

Nach einer Tisch­ler­lehre zog es ihn als Geselle nach Hamburg und Berlin. In München besuchte er die Kunst­ge­wer­be­schule und die Akademie der Bildenden Künste.  1877 reiste Karl Junker nach Italien und studierte die italie­ni­sche Archi­tektur der Gotik und der Renais­sance. Sein Skiz­zen­buch füllte sich dort mit Studien der Innen­räume und Fassaden italie­ni­scher Bauten. Anfang der 1880er Jahre kehrte Junker dann nach Lemgo zurück.

Ein Mann, Schnitz­werk­zeug und eine Menge Holz…

Beein­druckt von den präch­tigen Renais­sance­bauten Italiens und offenbar faszi­niert von der Idee eines Gesamt­kunst­werks machte er sich an die Arbeit.
Das Junker­haus ist ein zwei­stö­ckiger Fach­werkbau. Der Grund­riss ist quadra­tisch, ange­lehnt an Grund­risse, wie Junker sie auf seiner Itali­en­reise kennen­ge­lernt hatte. Im Erdge­schoss befinden sich unter anderem das Atelier, die Werk­statt und die Küche, im Ober­ge­schoss liegen Schlaf­zimmer, Kinder­zimmer, Gäste­zimmer, Salon und Wohn­zimmer neben­ein­ander – orien­tiert am Konzept eines reprä­sen­ta­tiven Bürger­hauses.  Die meisten Räume hat Karl Junker aller­dings nie genutzt. Frau und Kinder hatte er nicht, gewohnt hat er  alleine,  in einer kleinen Kammer unter dem Dach.

Küche im Junkerhaus in LemgoKüche mit Wasser­pumpe und Herd.

Schnitz­werk und Malereien

Das Faszi­nie­rende an diesem Haus? Es ist komplett mit hand­ge­ar­bei­tetem Schnitz­werk bestückt und bis ins kleinste Detail künst­le­risch ausge­staltet. Von außen, von innen – alles hand­ge­schnitzt. Opulentes Schnitz­werk ziert das Fach­werk, fili­granes Schnitz­werk und Wand­ma­le­reien schmü­cken die Innen­räume des Hauses. Die Türen, die Fenster, die Wände, die Decken – sogar der “Lokus” ist mit Schnitz­werk ausge­staltet – was ich als Kind immer am lustigsten fand.

Lokus im Künstlerhaus Karl Junkers

Lokus” im Künstlerhaus

Betritt man das Haus, wandelt man durch eine ganz eigene Welt. Die Welt des Künst­lers Karl Junker. Man befindet sich in seinem Kunst­werk, dass einen durch seine Üppig­keit und die konse­quente Gestal­tung  fesselt.
Wenn die Sonne durch die Fenster herein­scheint, kann man noch die heitere Farbig­keit erahnen, mit der der Künstler die geschnitzten Orna­mente einst gefasst hat. Rot, Ocker, Grün, Blau, teil­weise mit  einem  gold‑, silber- oder kupfer­far­benen Bron­ze­überzug zum Schim­mern gebracht. Die Farben haben über die Jahre an Kraft sehr verloren. Wie mögen die vertä­felten Wände wohl einst bei Sonnen­schein gefun­kelt haben?
Dazwi­schen die Wand­bilder, fröh­liche Szenen in sonnigen Farben. Wie ein Geschich­ten­er­zähler hat er sie im ganzen Haus verteilt. 151 Wand- und Decken­ge­mälde!  So hat er sich histo­ri­scher Stil­mittel bedient, aber daraus seine ganz eigene Form­sprache und Ausdrucks­weise entwickelt.

Wand- und Deckenmalerei im Junkerhaus

Wand- und Deckenmalereien

Schnitzornamente im Künstlerhaus Karl Junkers

Möbel- und Textildesign

Die skulp­tu­ralen Möbel­stücke, die Junker für sein Haus ange­fer­tigt hat,  sind von beson­derer  Origi­na­lität. Sofas und Stühle werden von wuchernden, geschnitzten Verzie­rungen gekrönt. Diese Gitter­or­na­mentik findet sich auch mancher­orts unter der Decke wieder. Mich erin­nert sie an die Skelett­struktur der goti­schen Bauwerke. Manche Möbel­stücke, wie z.B. der Sekretär, sind von geschnitzten Archi­tek­tur­mo­dellen gekrönt. Es gibt Hoch­stühle für Kinder, kleine Kinder­stühle, Himmel­betten, Wiegen, Tische, Stühle und Sofas. Die Stoffe, mit denen die Sofas bezogen sind, hat Junker eben­falls mit Orna­menten verziert.

Stoffbezogenes, bemaltes Sofa des Künstlers Karl Junker

Detail eines Sofas von Karl Junker

Museum Junkerhaus in Lemgo

Über 20 Jahre lebte und arbei­tete Junker in seinem Haus – seinem Lebens­werk, in dem Kunst, Archi­tektur und Design zu einer spek­ta­ku­lären Einheit verschmelzen. Bereits 1895 tauchte  der Bau in einem Reise­führer auf, und Junker hat unzäh­ligen Besu­chern und Inter­es­sierten sein Werk und die darin ausge­stellten Bilder und Skulp­turen  gezeigt.
1912 starb Karl Junker an den Folgen einer Lungenentzündung.

Ein Ort voller Geheimnisse

Wie auf viele Kunst­werke reagieren Besu­cher auch auf dieses gewiss sehr unter­schied­lich. Unbe­rührt lässt es wohl keinen. Die einen sind verblüfft und neugierig, andere empfinden es als bedrü­ckend, gar unheim­lich. Ich wüsste gerne mehr über den Menschen Karl Junker. Aber er  war alles andere als ein Selbst­dar­steller und lebte sehr zurück­ge­zogen in seinem Kunst­werk. Somit gibt es leider auf viele Fragen keine Antworten. Legenden, Mythen und Inter­pre­ta­tionen exis­tieren dafür umso mehr…

Sekretär im Bunkerhaus Lemgo

Ist es nicht span­nend, wie Karl Junker mit seinem hand­werk­li­chen Talent, dem Mate­rial Holz und seinem Sinn für Farbe und Formen eine derartig eigen­wil­lige, indi­vi­du­elle und prunk­volle Opulenz geschaffen hat? Beim Betrachten all der Details kann man sich verlieren.
Ein mate­ri­eller Ausdruck all der  Träume, Wünsche, Visionen Junkers, seiner Haltung und Leidenschaft?
Ein Ort voll Magie und Krea­ti­vität… ein Haus, das es so auf der Welt wohl kein zweites Mal gibt.

 

Infor­ma­tionen & Kontakt:

Museum Junkerhaus In der 2004 entstan­denen Ausstel­lungs­halle hinter dem Junker­haus wird eine Auswahl seiner Gemälde, Skulp­turen, Modelle und Zeich­nungen aus Karl Junkers umfang­rei­chem Nach­lass gezeigt.
Sehr inter­es­sant ist auch die Home­page des Museums. Beson­ders span­nend finde ich die dort abge­bil­deten Ausschnitte aus Karl Junkers Skiz­zen­buch: www.junkerhaus.de

Museum Junker­haus Lemgo
Hamelner Straße 36
32657 Lemgo
www.junkerhaus.de

Im Verlag für Regio­nal­ge­schichte ist ein sehr inter­es­santer Bild- und Text­band über Karl Junker und sein Haus erschienen, dem ich etliche Infor­ma­tionen entnommen habe.
Es ist über den Buch­handel oder online zu bestellen:

Junker­haus – Künst­ler­haus und Gesamt­kunst­werk” von Jürgen Scheffler und Gerhard Milting

(Alle Fotos sind bei meinem Besuch im “Museum Junker­haus” im Sommer 2019 entstanden)

 

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