Weiß ist die Summe aller Farben. Weiß ist Licht, Helligkeit, Reinheit – und Neuanfang. Wie eine leere Leinwand oder ein Blatt Papier, das darauf wartet, gefüllt zu werden… Weiß birgt Raum für Fantasie, für Gedankenspaziergänge…
“Un matin au réveil,
on s’aperçoit
que tout est blanc…Eines Morgens beim Erwachen
erkennt man, dass alles weiß ist…”Jules Renard (franz. Schriftsteller, 1864–1910)
Ich mag Weiß. Sogar das Weiß mag ich, das langsam mein Haar durchwirkt. Zeichen meiner zunehmenden Weisheit?
Aber besonders mag ich den Anblick einer weiß verschneiten Winterlandschaft. Das betörende Glitzern, wenn Sonnenstrahlen sich in den Schneekristallen brechen. Das Geräusch des knirschenden Schnees unter den Füßen. Den Tanz der wirbelnden Flocken. Ich mag die dicken weißen Schneemützen, die sich so freundlich über Tannenwipfel und Äste legen.
Sie strahlt so überwältigend, diese helle, weite, stille Landschaft.
Dieses Jahr fehlt mir dieses Weiß… das geliebte Winterweiß! Aber statt schwermütig zu werden, hole ich mir Hilfe: Blumen!
Weiße Blumen bringen ein frisches Strahlen ins Haus, ist es auch draußen noch so grau. Die Nuancen dieser unbunten Farbe sind mannigfaltig.
Einladend nickt die gefüllte Christrose mir schon draußen entgegen. Tulpen, Mohn, Chrysanthemen und viele andere stillen meine Sehnsucht nach Weiß. Betörend: der Duft des weißen Ginsters! Draußen finde ich Schneebeeren und die flauschig weißen Fruchtstände der Waldrebe (Clematis Vitalba), getrocknete Gräser und knorrige Zweige mit Moos und Flechten. Alles passt zusammen…
Eine helle Freude
Im ganzen Hause verteile ich weiße Stillleben. An tristen Tagen reflektieren sie das spärliche Licht und lächeln mir aufmunternd zu. Scheint die Sonne, strahlen die Blüten um die Wette und verbreiten heitere Frische.
Ich streife durchs Haus, sammle Vintage-Gefäße und Vasen zusammen, arrangiere, gruppiere – und meine Laune steigt.
Im Garten finde ich erste Schneeglöckchen. Winzige Zinngefäße passen gut zu den kurzen Stängeln. Statt ihre Köpfchen durch den Schnee zu recken, stehen sie nun als Miniaturstrauß auf dem Schreibtisch.
Etwas üppiger geben sich die gefüllten Tulpen. Rasch öffnen sie sich und zeigen ihre zahlreichen Blüten-Petticoats.
Für ein wenig Puderschnee sorgen meine Kinder in der Küche: die selbstgemachten Schokoladentrüffel (Rezept gibt es hier) bestäuben sie mit Puderzucker – und damit es noch winterlicher wird, bringen sie mir die Eisbärenfamilie aus der Spielzeugkiste. Danke!
Auftritt der Tänzerinnen
Und dann die Ballerinen unter den Blumen: Mohn und Französische Tulpe. Langstielig, grazil und voller Anmut ziehen sie die Blicke auf sich. Wie schön ihr seid!
Auf dem Tisch versammeln sich allerlei kleine Gefäße. Alle passen plötzlich zusammen – die weißen Blumen lassen sie miteinander harmonieren. Ein guter Trick, um ein Sammelsurium zusammenzufügen und eine Tafel charmant zu schmücken.
Schneeweiße Dauerblüher
Inspiriert durch das französische Kreativ-Magazin “marie claire ideés” (No 136), habe ich aus goldenem Basteldraht und dünnem weißen Leinen zarte Blumen gefertigt. Sie eignen sich z.B. gut für Gefäße, die nicht wasserdicht sind.
Mit Leichtigkeit durch den Winter
Wie Schneeflocken tummeln sich die Blüten des Schleierkrautes in der Vase. Ich mag Schleierkraut gerne alleine, locker in einer Vase oder lässig mit anderen weißen Blumen. So wirkt es frisch, leicht und überhaupt nicht spießig.
Winterweiße Träumereien
Eine weiße Blume macht noch keinen Winter – aber ich bin bezaubert von all der “Weißheit” im Hause, und meine Sehnsucht nach einem weißen Winter ist ein wenig gestillt. Und auch wenn mit all den Blumen schon ein wenig der Frühling bei uns einzieht, singe ich natürlich weiter fleißig mit meiner Tochter “Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst Du geschneit?…” und wir träumen… von Schlittenpartien, Schneeballschlachten und einem weißen Winterwunderland…
Buch-Empfehlung:
Ein Wintertag, ein Tulpenstrauß, ein heißer Tee, ein köstlicher Trüffel… fehlt nur noch ein gutes Buch!
Mit dieser Novelle habe ich einen wundervollen Nachmittag verbracht. Zwar geht es nicht um Blumen und auch nicht um verschneite Winternächte, dennoch passt das Buch ganz vorzüglich zu dieser Jahreszeit, in der alles etwas stiller, ruhiger und poetischer zugeht.
Die Novelle “Weiße Nächte” von Fjodor M. Dostojewski gilt als eine der schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur. Das hat mich neugierig gemacht.
Der Erzähler, ein etwas schrulliger Träumer, ein einsamer junger Mann, spaziert begleitet von schwermütigen Gedanken aus seiner Stadt, St. Petersburg – in der er mehr Häuser seine Bekannten nennt, als Menschen – raus aufs Land.
Auf dem Rückweg, nun schon deutlich heiterer, trifft er auf eine junge verzweifelte Frau, die er, wie es sich für einen Kavalier gehört, aus einer misslichen Lage befreit.
Die beiden kommen ins Gespräch und erzählen sich ihre Lebensgeschichten. Der junge Mann ist entzückt vom Liebreiz der jungen Frau, hatte er doch bislang keinen Kontakt zur Damenwelt gefunden. Doch er muß ihr versprechen, sich nicht in sie zu verlieben.
Was sich aus dem Gespräch der beiden liebenswerten Protagonisten entspinnt, verrate ich nun nicht. Aber es war mir eine große Freude, diesen russischen Klassiker zu lesen, um am Ende noch einmal an den Anfang zu blättern und die Zeilen zu Beginn des Buches wiederholt auf mich wirken zu lassen…
Vielleicht erschuf ihn die Natur,
Damit, ob auch ein Weilchen nur,
Er deinem Herzen nahe stände?…Iwan Turgenjew
Ich hoffe, ich konnte Sie neugierig machen?
Das Büchlein (109 Seiten), übersetzt von Hermann Röhl, ist als Taschenbuch im Insel Verlag erschienen.
Übrigens: Beim Fotografieren, Arrangieren und kreativen Werkeln höre ich gerne inspirierende Musik. Hier gehts zur Der blaue Distelfink-Playlist auf Spotify…
Was für ein wunderschöner Text. Der Grund, warum ich diesen Blog so liebe. Herzliche Grüße aus dem leider auch nicht richtig schneeweißen München
Wie schön! Das freut und motiviert mich natürlich sehr, vielen Dank. Herzliche Grüße aus Hamburg! Larissa Wasserziehr