Wie geht es Ihnen, wenn Sie den ersten Schmetterling des Jahres vorbeiflattern sehen? Wenn ich den ersten Zitronenfalter in unserem Garten entdecke, macht mein Herz immer einen kleinen Freudenhüpfer. Jedes Jahr aufs Neue.
In einer Betrachtung des Dichters und Schriftstellers Hermann Hesse “Über Schmetterlinge” von 1935 heißt es:
„…Die Schmetterlinge nun, von denen hier die Rede sein soll, sind gleich den Blumen für viele Menschen ein sehr bevorzugtes Stückchen Schöpfung, ein besonders geschätztes und wirksames Objekt jenes Erstaunens, ein besonders lieblicher Anlass zum Erlebnis, zum Ahnen des großen Wunders, zur Verehrung des Lebens. Sie scheinen, gleich den Blumen, recht eigens als Zierde, als Schmuck und Juwel, als kleine funkelnde Kunstwerke und Loblieder von höchst freundlichen, anmutigen und witzigen Genien erfunden und mit zärtlicher Schöpferwollust ausgedacht worden zu sein.…”
Und genau diese kleinen Wunderwerke der Natur mit ihren Farben und der ornamentalen Vielfalt ihrer Flügel haben mich zu meinem Stoffdruck inspiriert. Zu einer sommerlichen Leinentischdecke, die die verspielte Leichtigkeit einer Sommerwiese einfängt.
Ein Spaziergang…
Die Luft ist erfüllt vom satten Duft frischen Grüns und über mir wölbt sich die üppige Krone einer Kastanie. Am Wegesrand und auf den Wiesen wiegen sich die langen schlanken Gräser in zitternder Schönheit im Wind. Wie leicht fallen die Schritte zu dieser Jahreszeit! Auf der jungen Blüte eines Wiesenkerbels lässt sich ein Aurora-Falter nieder. Weiß sind seine zarten Flügel, nur die Spitzen hat er in Orange getaucht. Ein zweiter flattert heran. Sein Flug hat etwas Kindliches, mal hier, mal dort, mal hinauf, mal hinab, unbedarft und schwerelos umkreist der Flatterhafte eine Blüte. Klappt er nach der Landung seine Flügel zusammen, scheint er mit der Blüte zu verschmelzen.
Auf dem Feld tanzen Hasen umeinander und aus der Ferne ruft der Kuckuck. Wie in einem Gedicht wandle ich durch die Natur. Über dem glitzernden Wasser des Baches tanzen die Mücken, schnell und wild, als wollten sie jede Sekunde ausnutzen. Die Natur ist so schön – wahrhaftig – es sind nicht nur leere, buntgeschmückte Worte…
Augenblick verweile doch!
Ich pflücke ein paar Gräser und Wiesenblumen und beobachte das Pas de deux zweier Kohlweißlinge. Die hellen Flügel sind um ein Vielfaches größer als ihre Körper und bewegen sich rasch in der Luft. Die Falter faszinieren mich mit ihrer unschuldigen Anmut. Waren sie nicht noch eben unscheinbare Raupen? Wer kennt nicht die kleine hungrige Raupe Nimmersatt aus dem berühmten Kinderbuch von Eric Carle. Sie frisst und frisst. Kann nicht genug bekommen und dann? Gut geschützt in ihrem Kokon macht sie ihre Verwandlung durch, um sich alsbald in absoluter Vollkommenheit zu entfalten.
Die Natur hält solche Wunder bereit. Wir können sie überall entdecken.
Gräser und Schmetterlinge auf Stoff gedruckt
Große Sternmiere, Hahnenfuß, Wiesenschaumkraut, allerhand Gräser, Wiesenkerbel – all diese Pflanzen möchte ich auf eine sommerliche Tischdecke drucken. Und dazu natürlich Schmetterlinge!
Meinen Strauß stelle ich zu Hause ins Wasser. Die Idee ist, den Abdruck der Pflanzen mit Textilfarbe direkt auf den Stoff zu bringen.
Für die Schmetterlinge gibt es ein großes Angebot an hübschen Stempeln. Für die großen Schmetterlinge in der Mitte meiner Tischdecke fertige ich allerdings selber einen Stempel aus Stempelgummi an. Nach einer Vorlage oder freihand zeichne ich den Schmetterling auf das Stempelgummi und schneide mit dem Schnitzwerkzeug mein Motiv aus. Bei der Arbeit mit dem weichen Stempelgummi können auch Kinder sehr gut mitmachen.
Farbe und Fantasie
Ich liebe handgewebtes Leinen und habe auch diese Tischdecke aus einem großen Vintagelaken gefertigt. Aber natürlich kann man auch einen Baumwollstoff oder eine fertige Leinen- oder Baumwolltischdecke nehmen. Wichtig ist, dass der Stoff gewaschen, trocken und gebügelt ist.
Ich habe die langen Seiten der Decke zuerst einmal mit den Gräsern bedruckt.

Auf einer Unterlage betupfe ich die Pflanzen mit grüner Textilfarbe.
Wichtige Utensilien:
- Tischdecke, Kissenhülle, Servietten
- Stoffmal- und Druckfarbe
- Pinsel und Schwämmchen zum Betupfen der Stempel
- Stempel Schmetterling (z.B. Silikonstempel mit Acrylblog oder Holzstempel aus dem Bastel- oder Kreativmarkt)
- Unterlage (z.B. altes Kunstoff-Tischset)
- Küchenpapier
- Stickgarn in passender Farbe, Sticknadel
optional:
- Stempelmatte als Unterlage für schöne Stempelergebnisse (Bastelgeschäft)
- Stempelgummi (Bastelgeschäft)
- Schnitzwerkzeug (Bastelgeschäft)
- Nudelholz
Wilde Blumen und Gräser als Stempel
Ich habe meinen Arbeitstisch mit Packpapier ausgelegt und den Stoff glatt darauf ausgerichtet. Die Stempelmatte wird immer dort unter dem Stoff positioniert, wo gerade gestempelt werden soll.
Gräser und Blumen können mit dem Nudelholz etwas geplättet werden. Nun können sie auf einer Seite mit Textilfarbe eingepinselt werden. Anschließend hebe ich sie vorsichtig an und platziere sie mit der Farbseite auf den Stoff. Darüber lege ich ein Küchenpapier und rolle mit dem Nudelholz über das Gras oder die Blume. So gibt es einen schönen Abdruck. Küchenpapier und “Naturstempel” vorsichtig entfernen. Ich habe immer einige Blätter Küchenpapier in Gebrauch, sobald die Farbe trocken ist, können sie im Wechsel immer wieder aufgelegt werden.
Stück für Stück können wir uns so vorarbeiten und eine wilde Wiese aus verschiedenen Grüntönen drucken.
Tanz der Schmetterlinge
Ist die Wiese gedruckt, folgen die Schmetterlinge. Ich habe mit Schwämmchen die Textilfarbe auf die Stempel aufgetupft und die kleinen Falter dann auf den Stoff gedruckt.
In die Mitte der Tischdecke habe ich sechs große Schmetterlinge gedruckt, jeweils umrahmt von einem Kreis aus einfachen Stickstichen (Vorstich). Ein Kreis aus Papier in der passenden Größe hilft, den Rahmen zu sticken. Ich habe das Papier einfach mit Stecknadeln auf dem Stoff fixiert und umstickt, so spare ich mir aufgezeichnete Linien auf dem Stoff.
Als Zierde setze ich noch acht Knötchenstiche um den Rahmen.
Mit den Knötchenstichen können auch die Gräser und Blumen noch ein wenig verziert werden.
Knötchenstich: Die Nadel wird von links durch den Stoff gestochen. Direkt nach dem Ausstich den Faden einige Male um die Nadel wickeln. Knapp neben dem Ausstich die Nadel wieder einstechen. Dabei den um die Nadel gewickelten Faden festziehen. Nun den Faden ganz durchziehen. Das Knötchen dabei etwas festhalten. Die Größe des Knötchens hängt davon ab, wie oft der Faden um die Nadel gewickelt wurde (eine Video-Anleitung habe ich hier verlinkt).
Abschließend muss die Textilfarbe nach Packungsanleitung fixiert werden. Meistens wird hierzu der bedruckte Stoff durch ein Tuch einige Minuten bei Baumwolltemperatur gebügelt.
Und weil das alles großen Spaß macht, habe ich gleich noch Leinenservietten und Leinenkissen verziert.
Die wunderschönen zarten Leinenkissen mit Fransenkante habe ich übrigens bei Vossberg gefunden.
Blumen, Falter, Sommerlaune
Und so breite ich meine Sommertischdecke über meinem Gartentisch unterm Apfelbaum aus. Um mich herum eine verschwenderische Fülle an Gänseblümchen, auf dem Tisch eine Terrine mit Gräsern, Butterblumen und Kräutern. Es schwirrt und surrt, flattert und singt. Der Klang der Natur untermalt meine kleine Szenerie – und wer landet neben mir auf der Stuhllehne? Mein kleiner Freund, das Rotkehlchen!
Blauer Schmetterling
Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.Hermann Hesse
Tipp:
Schmetterlinge gehören mit rund 170 000 Arten zu den beliebtesten Insekten. In Deutschland leben ca. 3500 Arten, davon sind allerdings nur etwa 180 Arten Tagfalter, weit mehr sind Nachtfalter.
Leider sind immer mehr Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und verschwinden. Ihr Lebensraum und ihr Nahrungsangebot schrumpft durch die Bebauung vieler Wiesen, Naturflächen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Ich lasse in meinem Garten bewusst einige Ecken ganz natürlich. Raupen lieben Brennnesseln, Klee und Brombeersträucher, und ich mag es, wenn die Tiere sich in unserem Garten wohlfühlen, sich am Nektar der Blüten erfreuen und Unterschlupf finden. Ein kleines Schlaraffenland für die Tiere…

Brauner Bär, Foto: BUND/Tim Laumann
Der NABU und der BUND e. V. haben einige Tipps zur Gestaltung eines schmetterlingsfreundlichen Gartens zusammengestellt.
Übrigens: Der Schmetterling des Jahres 2021 ist der “Braune Bär”, ein Nachtfalter. Die ältere Raupe hat eine dichte braune Behaarung gleich einem Bärenfell – daher der Name.
Empfehlung:
“Ich denke, es ist ein Buch über Hoffnung. Kinder brauchen Hoffnung.”
Eric Carle
Eric Carles wunderbares Buch “Die kleine Raupe Nimmersatt” ist ein echter Klassiker. Das liebenswerte Bilderbuch über die kleine hungrige Raupe, die sich durch allerhand Leckereien futtert, habe ich als Kind geliebt und auch meine Kinder hatten ihre Freude an der Geschichte und den Bildern. Dieser einzigartige Moment, wenn aus der kleinen, unscheinbaren Raupe ein wunderschöner Schmetterling wird! Dieses Wunder der Natur stimmt doch wirklich hoffnungsvoll.
Kinderbuchautor Eric Carle hat all seine Bücher mit einer faszinierenden Collagetechnik illustriert.
Gerade während der Arbeit an diesem Beitrag erreichte mich nun leider die Meldung, dass Eric Carle am 23. Mai in Northampton, Massachusetts (USA) mit 91 Jahren verstorben ist. Er hat uns einen wertvollen Schatz an Kinderbüchern hinterlassen.
Ich habe Ihnen hier ein Interview mit Eric Carle und einen kleinen Film über sein kreatives Schaffen verlinkt. Beide Filme hat der Gerstenberg Verlag auf YouTube veröffentlicht:
Das Buch “Die kleine Raupe Nimmersatt” ist im Gerstenberg Verlag erschienen.
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