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Kint­sugi – wenn Kera­mik­narben zu Gold­spuren werden

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Ich möchte erzählen, wie Kint­sugi –  die alte japa­ni­sche Technik des “Gold­fli­ckens” – eine kleine Narbe in meinem Herzen geschlossen hat:
Bis vor einigen Jahren leuch­tete mal hier, mal da eine kleine dick­bauchige, gelbe Porzel­lan­vase in unserem Haus. Fili­gran und kunst­voll bemalt mit Blumen, hat sie mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht gezau­bert. Bis zu dem Tag, als sie mir einfach aus der Hand fiel. Zack!
Scherben bringen Glück? Das mag für profane Früh­stückstassen gelten, nicht aber für die kleine gelbe Vase, die ich vor vielen Jahren von meiner Groß­mutter geschenkt bekommen habe.
So ein lieb­ge­won­nenes Erin­ne­rungs­stück darf nicht einfach zu Bruch gehen. Aber es geht. Manchmal ist auch das Teil der Geschichte.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Dingen, die wir benutzen und gebrau­chen, müssen wir erlauben, die Patina des Alters und Gebrauchs­spuren anzu­setzen. Es sind die kleinen Macken, die Risse, die Abschür­fungen, die uns die ganz persön­li­chen Geschichten zu den Objekten erzählen.
Und beson­dere, kost­bare Objekte nur zu schonen und im sicheren Schrank zu verwahren, halte ich für falsch. Wir sollten mit ihnen leben.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Kint­sugi

Die Japaner haben eine wunder­bare, uralte Technik, mit der sie zerbro­chener Keramik begegnen: Kint­sugi – die Technik des Gold­fli­ckens. Geht ein Keramik- oder Porzel­lan­gefäß kaputt, füllen sie die Bruch­stellen mit Urushi, einem Japan­lack, in den Gold­staub gemischt wird und setzen das Gefäß wieder zusammen. Anschlie­ßend wird die Stelle noch­mals mit Gold­staub über­zogen. Die Methode entstand unge­fähr im Japan des 16. Jahr­hun­derts. Kunst­hand­werker haben sie entwi­ckelt, um die für die Teeze­re­mo­nien wich­tigen Teeschalen auf eine ästhe­ti­sche Art zu reparieren.

Eine Methode, die die Bruch­stellen nicht zu kaschieren versucht. Nein, viel­mehr hebt sie die Narben hervor. Sie würdigt die Geschichte des zerbro­chenen Objektes. Unschöne Bruch­stellen werden vergoldet und somit zu deut­li­chen Spuren, die von Bruch und Wieder­her­stel­lung erzählen.

Der Gedanke dahinter lässt sich auf das gesamte Leben anwenden: Der Glaube daran, dass etwas, das eine Geschichte hat und Spuren aufweist, dadurch nur noch schöner wird.

Das ist auch der Gedanke, der hinter dem japa­ni­schen, ästhe­ti­schen Konzept Wabi Sabi (die Schön­heit im Vergäng­li­chen, im Makel) steht.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Ein wunder­barer Gedanke, finde ich. Und eine kleine Aufleh­nung gegen die Wegwerf­men­ta­lität. So können Alltags- und Deko­ra­ti­ons­ge­gen­stände, an denen unser Herz hängt, von Gene­ra­tion zu Gene­ra­tion weiter­ge­geben werden. Heute, in unserem mobilen Zeit­alter, sind es doch oft kleine Objekte, die uns ein Zuhau­se­ge­fühl vermit­teln – egal wohin das Leben uns gerade geführt hat. Objekte, die uns unser Leben lang begleiten.

Und tatsäch­lich, vieles wird durch häufigen Gebrauch und die dadurch hinter­las­senen Spuren immer schöner. Meine Vase steht wieder da, und es fühlt sich gut an. Nicht nur die Bruch­stellen im Porzellan sind geflickt, auch die kleine Narbe in meinem Herzen ist geheilt.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Die Methode

Für meine kleine Vase und eine kopf­lose Kera­mik­dame aus den 70er-Jahren habe ich mir ein Kint­sugi-Repa­ratur-Set bestellt. Es basiert auf der alten Technik, ist aber mit neuer Tech­no­logie kombi­niert. Urushi, der Japan­lack, braucht sehr lange zum Trocknen.
Der Kleber aus dem “New Kintsugi”-Set trocknet schneller, und es sind weniger Arbeits­schritte, als bei der origi­nalen Technik nötig. Auch Anfänger haben damit eine Chance! Nach 48 Stunden ist der Porzel­lank­leber lebens­mit­tel­echt, und selbst Heiß­ge­tränke können einer geflickten Tasse  nichts mehr anhaben. In die Spül­ma­schine dürfen repa­rierte Objekte aller­dings nicht mehr.

Die tradi­tio­nelle Methode ist viel­stu­figer und kompli­zierter. Ich habe für Inter­es­sierte dazu einmal hier ein Video des Japa­ni­schen Lack-Restau­ra­tors und Künst­lers Gen Salatani (www.urushi.com) verlinkt.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Den Arbeits­platz habe ich mit einer Unter­lage ausge­legt. Es ist sinn­voll, ein feuchtes Baum­woll­tuch zur Hand zu haben und einige Zahn­sto­cher für kleine Korrek­turen.  Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werdenAlles andere wie Klebe­lack, schnell­trock­nende Knet­masse zum Füllen größerer Bruch­lö­cher, Gold­puder, Holz­stäbe zum Auftragen und Verrühren, ein Pinsel, Hand­schuhe und natür­lich eine genaue Anlei­tung (auch auf Deutsch) waren in meinem Set vorhanden.
Es ist wichtig, dass man die Bruch­stellen gründ­lich reinigt und sich alle benö­tigten Uten­si­lien bereit­legt, die Arbeits­fläche mit einem Schutz auslegt und ruhig und konzen­triert arbeitet.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Der Kleber wird mit Gold­puder angerührt.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Mit einem Holz­stäb­chen wird der Goldkit auf die gerei­nigten Kanten aufgetragen.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Nach ca. 1–2 Minuten werden die Teile zusam­men­ge­fügt und einige Minuten gehalten.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Korrek­turen können mit einem feuchten Tuch oder einem Zahn­sto­cher vorge­nommen werden.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Wenn der Kleber fast trocken ist, wird mit einem weichen Pinsel groß­zügig Gold­puder über die Klebe­stelle gegeben.

Kintsugi - wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Sind alle Teile zusam­men­ge­fügt, muss das Objekt einige Stunden trocknen.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Der Kopf sitzt wieder fest auf dem Korpus. Wie eine Gold­kette schmiegt sich die vergol­dete Bruch­stelle um den Hals der Dame.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Sind die Klebe­stellen gut getrocknet, kann das Objekt mit Wasser und Spül­mittel abge­wischt werden. Nach 48 Stunden ist das repa­rierte Objekt dann lebensmittelecht.

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Stolz trägt die repa­rierte Dame nun ihre Sukku­lenten-Frisur zur Schau.

Tipp:

(unbe­zahlte Produkt­emp­feh­lung) Das “New kint­sugi repair kit” der hollän­di­schen Firma Humade habe ich in Berlin beim “The Amazing Croco­dile Design Store” (www.amazing-crocodile.de) bestellt.

Sie möchten ein Stück profes­sio­nell mit dieser Methode repa­rieren lassen? Seit 2020 bietet Satoko Toyoda in Ihrem Studio einen Repa­ra­tur­ser­vice an:
www.kintsugi-berlin.de 

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Kintsugi – wenn Keramiknarben zu Goldspuren werden

Eine weitere krea­tive Inspi­ra­tion aus Japan:

DIY: Leinen­schürze – in Blau gebadet

16 Kommentare

  1. Auf der Suche nach einer Kint­sugi-Anlei­tung bin ich auf deinen Blog gestoßen.
    Danke für die tollen Fotos und die sehr gute Anlei­tung und Erklärung.

    • Larissa sagt

      Herz­li­chen Dank! Ich freue mich, wenn die Anlei­tung geholfen hat. Ich habe mir gerade die “Königs­fi­gu­rinen” ange­schaut. Das sind ja wunder­bare Arbeiten aus Papp­maché! Ich habe mit meinen Kindern Papp­maché-Tiere gefer­tigt und mit Blatt­gold vergoldet (auch hier auf dem Blog zu sehen) aber es ist faszi­nie­rend zu sehen, was aus dem Mate­rial unter den Händen einer Künst­lerin wird. Viele Grüße!

  2. Claudia König sagt

    Vielen Dank für das Lob. Gold ist eine eindrucks­volles Element. Gerade die Kombi­na­tion mit eher “unedlen” und rauhen Mate­rialen wie Papier­mache oder der repa­rierten Tonfigur gefällt mir sehr. Liebe Grüße.

    • Larissa sagt

      Ja, das ist wahr. Im Kontrast zu rauen, gröberen Mate­ria­lien entfaltet Gold seine Wirkung wunderbar. Ohne, dass es zu viel wird oder gar kitschig wirkt…

  3. Petra sagt

    Ich würde das auch zu gerne versuchen.
    Welchen Kleber verwendet ihr? Ich kann den Bison­kleber nirgends auftreiben. Gibt es auch Alter­na­tiven bzw. was muss ich beim Kleber­kauf beachten?
    Danke für eure Tipps 🙂

    • Larissa sagt

      Liebe Petra,
      der Bison-Epoxid­kleber ist Teil des Kint­sugi-Repeart­ur­sets (siehe Link/ ). Er hat eigent­lich bei mir sehr gut funk­tio­niert. Eine optisch schöne, halt­bare, lebens­mit­tel­echte und wasser­dichte Alter­na­tive, bei der das Ergebnis so schön wird, wie mit dem Repa­ra­turset habe ich noch nicht gefunden. Ich würde mich auch über weitere Tipps freuen! Liebe Grüße!

  4. Petra sagt

    Ich hatte den Link gar nicht gesehen… sorry – danke für die schnelle Antwort!

  5. Hallo Distel­fink,

    danke für die schönen Bilder. Da bekommt man sofort Lust aufs Repa­rieren. Hast du das Kit noch und lkannst du nähere Details zum enthal­tenen Kleber und der Lebens­mit­tel­echt­heit geben? Bei Humade direkt steht dazu leider nichts auf der Website, und der Kunden­ser­vice antwortet mir leider nicht 🙁 Bei mir ist es leider keine Vase, sondern eine Schüssel, die drin­gend goldig verklebt werden möchte. 

    Gruß und Danke!

    • Larissa sagt

      Hallo Anya,
      vielen Dank, ich freue mich, dass Dir die Bilder gefallen! Ich habe noch einmal nach­ge­schaut. Bei dem Online­shop, bei dem ich das Kint­sugi-Kit gekauft habe, heisst es auf der Home­page, dass nach 48 Stunden Trocken­zeit der Kleber lebens­mit­tel­echt ist und dass z.B. eine Tasse auch mit heißen Getränken gefüllt werden kann. Hier noch einmal der Link:
      Du kannst es Dir ja noch einmal genau durch­lesen. Wichtig ist, dass Du die Bruch­stellen gründ­lich mit der Knete und dem Kleber schließt, damit die Schüssel auch wirk­lich dicht ist. Ich wünsche Dir viel Glück und Freude bei der Repa­ratur Deiner Schüssel!
      Herz­liche Grüße!
      Larissa Wasserziehr

      • Sarah sagt

        Hallo Larissa

        ich habe auch bei Humade nach­ge­fragt wegen der Lebens­mit­tel­echt­heit und habe die Nach­richt bekommen, dass das Produkt nicht als lebens­mit­tel­echt zerti­fi­ziert ist, sie es aber seit Jahren selbst für jegli­ches Geschirr verwenden. 

        Hier die ganze Antwort:
        “Thank you for your inte­rest in the New Kint­sugi repair kit! The adhe­sives used in our kit have been used for many years to repair dining ware, cups and glasses. We use it all the time ourselves but the product has no offi­cial food-safe certificate. 

        Please leave the repaired item for 48 to fully harden and rinse thoroughly before use. It is best to hand wash objects that are glued with the New Kint­sugi kit because most dish­wa­sher deter­gents are very aggres­sive and might discolor the adhesive. 

        The repaired item can with­stand high tempe­ra­tures up to max 100 degrees Celsius if not for too long. ”

        Viele Grüße
        Sarah

        • Larissa sagt

          Hallo Sarah,

          das ist ja nochmal eine inter­es­sante Info. Vielen Dank fürs Weiter­leiten der Antwort.

          Herz­liche Grüße!

          Larissa

  6. Petra Mira Kargl sagt

    Hallo liebe Laura,

    schön wie du die ganze Technik zeigst und beschreibst.
    Dürfte ich erfahren wo hast du das neue-Kinz­sugi REpair Kit gekauft?
    Ich finde alles das um die 140€ und mehr kostet und ist die original Technik.
    Darf ich Dich um den Link zu den Kit bitten.

    Vielen lieben Dank
    Petra Mira.

    • Larissa sagt

      Liebe Petra Mira,
      ich freue mich, dass Dir der Beitrag über die Kint­sugi-Technik gefällt. Gerne schicke ich Dir den Link zu dem Shop, bei dem ich mein Kint­sugi-Set gekauft habe: 
      Ich wünsche Dir ganz viel Freude beim Auspro­bieren der Technik!

      Viele Grüße!
      Larissa Wasserziehr

  7. Susanne Klabunde sagt

    Ich hab mir neulich eine kleine sehr origi­nelle Kanne bei Etsy bestellt, ein älteres und sicher Einzel­stück. Seit Monaten bin ich um dieses Känn­chen herum­ge­schli­chen und habe über­legt, soll ich oder soll ich nicht. Man kann nicht mal sagen, dass es beson­ders hübsch wäre, aber irgendwie skuril geformt und urig, wie aus einer alten Bauern­kate oder einem Hexen­haus. Die hat was!
    Endlich bestellt, kam sie kaputt bei mir an. Finan­ziell kein großer Verlust, sie hat nur 11 Euro gekostet. Aber ich war trotzdem traurig. Hab sie erst wegge­worfen, aber dann dachte ich, dass ich doch schon lange mal Kint­sugi auspro­bieren wollte, wenn das hier mal keine Gele­gen­heit ist. Ja und jetzt habe ich die Scherben wieder aus dem Müll geholt und mir eben das empfoh­lene Set gekauft. Mal sehen, ob es klappt (Daumen drücken!).
    Auf jeden Fall vielen Dank für die Empfeh­lung, die DIY-Kits, die ich sonst gesehen habe, haben mir nicht so recht zugesagt 🙂

    • Larissa sagt

      Liebe Susanne,
      ich kann Sie so gut verstehen. Manchmal verliebt man sich einfach in die Form und die Ausstrah­lung eines Produktes. Und umso besser, wenn es dann noch erschwing­lich ist! Der ideelle Wert ist für mich immer der wich­ti­gere. Aber wie schade, dass das Känn­chen bei Ihnen kaputt ange­kommen ist. Ich finde es wunderbar, dass sie das Känn­chen retten wollen und drücke Ihnen die Daumen, dass Sie es gut hinbe­kommen! Sicher werden Sie dann noch mehr Freude an dem Stück haben – nach der Geschichte! Ich bin sehr gespannt. Berichten Sie doch gerne einmal, wie Sie zurecht­ge­kommen sind. Das würde mich sehr interessieren.
      Herz­liche Grüße!
      Larissa Wasserziehr

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