“Die Buchstaben haben dann Anmut, wenn sie nicht mit Unlust und Hast, auch nicht mit Mühe oder Fleiß, sondern mit Lust und Liebe geschrieben sind.”
Giambattista Bodoni (1740 – 1813, italienischer Schriftsetzer)
Auf meinem Schreibtisch gibt es etwas Neues. Einen Flakon von erlesener Schönheit. Gefüllt mit Tinte aus Japan. iroshizuku – was sich aus den japanischen Wörtern iro (Farbe) und shizuku (Tröpfchen) zusammensetzt – Farbtröpfchen. Ich habe den Farbton ina-ho gewählt, der von der japanischen Reisähre inspiriert ist. Ein Farbton, der ein wenig an flüssiges Gold erinnert. Ich sauge die Farbe mit meinem Kolbenfüllfederhalter auf und beginne das virtuose Buchstabenspiel…
Federtanz
Wie eine Tänzerin wirbelt die Feder über das Papier. Die fließende goldbraune Tinte verleiht meinen Gedanken Gestalt. Die Gedanken werden zu Spuren. Sie werden sichtbar…lesbar. Die Handschrift – Ausdruck von Persönlichkeit.
Ich fische im weiten Meer der Wörter. Die Feder wird zur Grenzwanderin zwischen Gedanken und Geschriebenem. Dankbar sammelt sie ein, was der Kopf hervorbringt. Liegt nicht in der flüssigen Handschrift eine gewisse Musikalität? Man folgt einem Rhythmus, einem Schwung. Tintenspuren, die etwas zu erzählen haben…. Buchstaben, die mehr sind als Schriftzeichen. Vielleicht der Anfang einer Geschichte…?
Vor einiger Zeit schrieb mir eine Leserin, dass sie ein Textzitat von meinem Blog zur Erinnerung mit Tinte und Füllfederhalter in ihr kleines Notizbüchlein geschrieben hat. Wie schön! Was für eine Wertschätzung der Worte. Das hat mich inspiriert. Ich habe mir vorgestellt, wie die Leserin ihren Füllhalter zur Hand nimmt und mit schönen Schwüngen die Worte zu Papier bringt. Mit mitternachtsblauer Tinte? Oder vielleicht mit rubinroter?
Tintenherz
Ich erinnere mich, wie stolz ich damals in den 80er-Jahren war, als ich in der Grundschule meinen ersten Füllfederhalter bekam – einen Pelikan. Mit Tintenpatronen in Königsblau. Wie wunderbar er über das Papier glitt. In den folgenden Jahren habe ich verschiedene Schriften ausprobiert. Schnörkelige, kantige, nach rechts geneigte, nach links gekippte. Als Kind braucht man Zeit, um die eigene Handschrift zu entwickeln.
Ausdruck von Individualität
Gibt es etwas Schöneres und Persönlicheres, als einen mit Tinte geschriebenen Brief, einen Gruß oder eine handgeschriebene Einladung?
Die Handschrift offenbart eine Facette der eigenen Persönlichkeit. Graphologie – die Lehre von der Handschrift als Ausdruck des Charakters.
So verschieden wir Menschen sind, so verschieden ist auch unsere Schrift – ähnlich wie unsere Fingerabdrücke. Das ist wohl der entscheidende Unterschied zu einem digital verfassten Text – er verrät uns weniger über die Person, mit der wir kommunizieren.
Und ganz nebenbei könnte ich niemals auf die Flexibilität verzichten, die Stift und Papier mit sich bringen.
Schreiben ist ein Gefühl
“Eine fließende Handschrift bringt die Gedanken zum Fliegen. ”
Cornelia Funke, Schriftstellerin
Die Freude am Führen einer Feder packt einen schnell, wenn man sich erst einmal darauf einlässt. Und dabei dürfen die Buchstaben gerne mal aus der Reihe tanzen, finde ich. Mit Experimentierfreude, Neugier und Kreativität kann sich eigentlich auch jeder, der meint, seine Handschrift sei nicht sehenswert, eine schönere Handschrift aneignen. Hierbei geht es doch vielmehr um einen eigenen Stil als um Perfektion. Manchmal ergeben sich Talente erst dadurch, dass man etwas ausprobiert. Vielleicht entdecken Sie auch die Grazie des Unperfekten?
Ein interessanter Versuch und eine gute Übung ist zum Beispiel das Schreiben mit Federhalter und Tinte zu einem Musikstück. Nehmen wir vielleicht mal die Ouvertüre aus dem Ballett Der Nussknacker von Tschaikovsky oder Passage of Time von Rachel Portman aus dem Film Chocolat. Schnell nimmt man den Schwung der Musik mit der Hand auf, wagt sich mal in extreme Höhen oder Tiefen, schlägt Kapriolen oder wird ganz zart und leise… denn Schrift hat auch sehr viel mit der Bewegung des Körpers und der Haltung zu tun. Wohnt Ihrer Handschrift vielleicht etwas Dramatisches inne? Etwas Grundsolides oder etwas Romantisches?
Nur eine kleine Notiz…
Warum nicht Einkaufszettel, Tagespläne oder ähnlich flüchtige Notizen mit Füllfederhalter und Tinte schreiben? Ich finde beim handschriftlichen Notieren lassen sich die Gedanken einfach besser sortieren, und ich nutze jede Gelegenheit, meine verschiedenen Füller und Tinten einzusetzen. Hat das nicht auch etwas mit Wertschätzung eines kleinen, alltäglichen Augenblicks zu tun?
Tintentöne
Ich bin immer wieder fasziniert, was für fantastische Tinten es gibt! In Farben, so optimistisch wie die Morgenröte oder so geheimnisvoll wie eine Vollmondnacht. Allein die Vielfalt der Blautöne ist betörend!
So notiere ich ein Backrezept in wunderschönem, tiefen Oxford-Blau, die Geburtstagskarte in Goldbraun und den Textentwurf in Mondsteingrau. Ja sogar ein Fässchen mit Dufttinte steht auf meinem Schreibtisch – Vanille. Die Farbe erinnert an die einer Vanilleschote und beim Schreiben schleicht sich tatsächlich ein zarter Duft zaghaft in die Nase. So gibt es auch Tinte, die nach einem guten Bordeaux duftet – vielleicht ein schönes Geschenk für einen Weinliebhaber?
“Tu etwas Mond an das, was du schreibst.”
(Jules Renard, 1864–1910, französischer Autor)
Buchstaben zum Funkeln bringen
Das Angebot an Tinte ist riesig. Neben einer Vielzahl an Farben und Dufttinten gibt es auch schillernde Varianten mit Glitzerpartikeln. Gerade wenn die Weihnachtszeit näher rückt, kann ich mir eine Schimmer-Tinte (z.B. “Rouge Hématite” von dem französischen Tintenhersteller Jacques Herbin) sehr hübsch zum Schreiben von Weihnachtsgrüßen vorstellen. Ein regelmäßiges Reinigen des Füllfederhalters ist allerdings Pflicht, wenn man ihn mit Glitzer-Tinte gefüllt hat.
Alles fließt…
Ein mit Tinte geschriebener Text wirkt so lebendig. Gute Tinte fließt wunderbar und trocknet relativ schnell. Die unterschiedliche Intensität der Linien nennt man Shading. Diese unvergleichliche Optik sieht man ausschließlich bei handgeschriebenen Texten.
Zahlreiche Farben gibt es natürlich auch als Tintenpatronen. Aber bei all diesen wunderschönen Tintenfässern – wer sollte da widerstehen?
Und wer seinen Füller bisher mit Tintenpatronen betreibt, kann dank eines passenden Konverters jeden Füller als Kolbenfüller nutzen und aus dem Tintenfass befüllen.
Auch die Stärke der Feder spielt eine wichtige Rolle. Fein, mittel oder breit, abgeschrägt, vielleicht sogar aus Gold? Jeder kann die passende Feder für die eigene Handschrift finden. Ich schreibe gerne mit einer breiten Feder. Ist die Handschrift jedoch klein und filigran, eignet sich besser eine feinere Feder.
Tinte verleiht Flügel
Hin und wieder macht es Spaß, ein paar Tintenschmetterlinge oder ‑käfer zu gestalten. Kinderleicht. Einfach ein Papier mittig falten und auf die eine Seite einige Tintentropfen auftragen (mit der Pipette oder einem feinen Pinsel). Das Papier zusammenklappen. So entsteht ein symmetrisches Motiv. Wer mag, kann noch ein paar Fühler, Beine oder ein interessantes Mundwerkzeug hinzuzeichnen. So entstehen aus simplen Tintenklecksen interessante Fantasiegeschöpfe.
Eine hübsche Idee für Grußkarten oder einfach für die eigene Pinnwand. So kann man sich eine Übersicht über die vorhandenen Tintenfarben zaubern, auf der man auch gleich das Shading gut erkennen kann.
Kraftvolle Stille
Gerade jetzt im Herbst entstehen hinreißend stille Momente, wenn man zu Hause sitzt und schreibt. Ob es schon Weihnachtskarten sind, Briefe an Menschen, die wir momentan nicht sehen können oder einfach mal kleine, echte und ganz analoge “Likes” für liebe Freunde.
Mit einem schönen Schreibgerät und einer besonderen Tinte wird es Ihnen möglicherweise sogar schwer fallen, einen Schlusspunkt zu setzen.
Und wenn Ihr Füllhalter nicht sowieso bereits einen festen Platz in Ihrem Leben hat, dann buddeln Sie ihn aus! Holen Sie ihn aus der Schublade, reinigen Sie ihn mit warmem Wasser und gönnen Sie ihm einen guten Schluck aus dem Tintenfass! Sie werden sehen – es lohnt sich…
Tipps & Empfehlungen:
(Werbung unbeauftragt)
Eine große Auswahl an Tinten, Konvertern und Schreibgeräten bekommen Sie natürlich im Schreibwarenhandel oder online z.B. hier
- Papier & Stift www.papierundstift.de
- Penoblo www.penoblo.de
- Fritz Schimpf www.fritz-schimpf.de
- Manufactum www.manufactum.de
- Mostwanted Pens www-mostwanted-pens.com
- Tintenmanufaktur de Atramentis www.de‑atramentis.com
Individuell gestaltete Drucksachen wie Briefbögen, Karten und Kuverts fertigt Alexandra von Pappenheim mit ihrer Druckerei “Rabe von Pappenheim”. Sie bietet verschiedene hochwertige Papierqualitäten und eine Vielzahl schöner Designs an, die Sie dann durch Ihre handschriftlichen Grüße vollenden können. Alles gibt es online über
Schöner schreiben…
Wenn Sie Freude an Ihrer Handschrift haben und diese noch ein wenig verfeinern möchten, gibt es interessante Workshops für moderne Kalligraphie oder Handlettering. Zum Beispiel hier:
- Jeannette Mokosch – KALLIGRAPHIE, DESIGN, BLÜHENDE WORTE
- Bettina Horn – PEACE & PAPER, CALLIGRAPHY, SOULTIME
- Stefanie Weigele – FEDERFLUG KALLIGRAPHIE
Momentan gibt es bei einigen Anbietern die Möglichkeit, an Onlinekursen teilzunehmen.
Auch Volkshochschulen bieten Kalligraphie- und Handletteringkurse an.
Außerdem habe ich ein empfehlenswertes kleines Video von “ONLINE-Schreibgeräte” gefunden. Australiens führende Handschriftexpertin Barbara Nichol zeigt, wie man mit ein paar einfachen Tricks die eigene Handschrift verbessern kann. Bitte hier entlang…
Notizbücher können Sie übrigens ganz leicht selber herstellen:
Sie suchen eine Möglichkeit, hübsch gestaltete Papierbögen zu inszenieren?
Ein Genuß, diesen Artikel zu lesen!!! Auch die passenden Bilder dazu sind sehr stimmungsvoll.
Ich liebe meine Füllfederhalter schon seit Jahren und bin nun dankbar, für die Hinweise auf verschiedene Internetseiten, die stilvolles Zubehör anbieten.
Leider gibt es nur wenige Geschäfte in meiner Nähe , die solch schöne Auswahl führen. Ganz anders in England und Frankreich… Da kann ich nicht daran vorbei gehen…
Liebe Grüße von Nicole
Liebe Nicole, ich freue mich sehr, dass Ihnen mein Artikel gefällt und Ihnen bei der Suche nach schönen Schreibutensilien hilft. Es ist wunderbar zu lesen, dass Sie Ihren Füllfederhalter so schätzen – und das seit Jahren! Ich denke ein schöner Füllfederhalter hat das Zeug zum lebenslangen Begleiter. Und auch, wenn einmal ein neues Exemplar dazukommt, bereitet ein gelegentlicher Wechsel des Schreibgerätes ja auch mal Freude.
Ja, es gibt fantastische Schreibwarenläden, in denen man herrlich stöbern kann. Aber ist die Entfernung zu groß, hilft ein guter Onlineshop. Die Adressen, die ich nenne, bieten auch alle eine Beratung per Telefon oder Mail an. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude am Schreiben mit Füller und Tinte! Viele Grüße! Larissa
Liebe Larissa, ich bin eben zufällig über den Beitrag gestolpert. Sehr schön geschrieben mit ansprechenden Fotos. Als Hamburgerin sitzen Sie an der Quelle für die besten mir bekannten Füller: Stefan Fink, der Füllermacher schlechthin für mich, hat ja seine Werkstatt in Hamburg. Auch wenn ich einen Pelikan M1000 und einen Montblanc Meisterstück mein Eigen nenne, die Füller von Stefan Fink sind einmalig schön und schreiben unvergleichlich. Einfach ein vollendeter Genuss und ein Kontrapunkt zum digitalen Schreiben. Viele Grüße aus Münster, Thomas
Lieber Thomas,
vielen Dank für Ihre Worte! Sie haben so Recht, die handgefertigten Füller von Stefan Fink sind wunderschön. Leider besitze ich keinen aber es freut mich, Ihre Empfehlung zu lesen. Ja, es ist ein Hochgenuss, mit einem schönen Schreibgerät Gedanken und Worte zu Papier zu bringen. Alleine das Geräusch der Feder auf dem Papier! Es ist schön zu wissen, dass es Gleichgesinnte gibt, die diese Freude teilen. Ich grüße Sie herzlich aus Hamburg!
Larissa
…und hier noch einmal für Interessierte der Link zu Stefan Fink: