In einem Blumenladen herrscht immer ein wunderbarer Duft.
‘Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta’, Màxim Huerta
“Gute Floristen sind Künstler”, sagt Claudia Lange. Sie sitzt mir in einem kleinen Café in Hamburg-Eppendorf gegenüber und ihre Augen funkeln fröhlich. Künstler sind unerschöpflich kreativ und bereit, für die Liebe zu ihrer Kunst einen harten Weg zu gehen. Nur wenige werden steinreich und berühmt, alle anderen werden allein von der Kraft getragen, die die Liebe zu ihrem Handwerk, ihrer Kunst freisetzt. Und wie alle Künstler brauchen sie Menschen, die ihre Kunst sehen, verstehen und bereit sind, diese auch zu honorieren.
Blumen…
Schon in frühster Kindheit lernen wir, dass wir mit Blumen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Der frisch gerupfte Gänseblümchenstrauß, den wir stolz der Mutter überreicht haben, hat sie strahlen lassen. Mein Elternhaus kann ich mir ohne frische Blumen gar nicht vorstellen und auch in unserem Haus dürfen frische Blüten nie fehlen. Und was wäre mit all den Gemälden und Gedichten? Ohne Blumen? Unvorstellbar!
Küchenblume
Ein Raum ohne Blumen ist…“ein toter Raum!” ergänzt Claudia Lange. Seit 30 Jahren bestimmen Blumen ihr Leben. Sie ist Floristin aus Leidenschaft und führt seit nun 11 Jahren ein Blumengeschäft in der Isestraße – einer meiner Lieblingsstraßen Hamburgs. Dort habe ich sie besucht, denn mich fasziniert das vom Aussterben bedrohte Handwerk.
“Ursprünglich wäre ich gerne Bühnenbildnerin geworden”, erzählt sie, “aber dann habe ich mich doch für das Floristen-Handwerk entschieden.” Ihre große Nähe zur Natur, zu Flora und Fauna, hat sie dazu gebracht. Sogar ihr Faible für Inszenierungen, für Malerei und Theater kommt ihr in ihrem Beruf zu Gute.
Ihr Laden misst nur etwa 42 Quadratmeter, aber Claudia Lange hat ihn zu einem bezaubernden Kleinod gemacht. Das matte “Englisch Grau” an den Wänden hat sie aus dem historischen Farbsortiment ihres Geschäftsnachbarn Peter Nolden von ‘Peter Interior’. Die dunkle Farbe wirkt wie ein Passepartout, vor dem all die Blumen auf dem runden Tisch in der Mitte des Raumes wie ein Feuerwerk leuchten.
“Die Gestaltung des Ladens ist auch wie die Erschaffung eines Bühnenbildes”, lacht die Inhaberin. Und tatsächlich: Das Schauspiel der extravaganten Schönheiten, der langstieligen Diven und der interessanten Charakterköpfe könnte keinen besseren Rahmen finden.
Küchenblume – so heisst das kleine Blumenparadies. Warum? “So wie die Küche in einem Haus ein kommunikativer Mittelpunkt ist, so soll auch mein Laden zum Gespräch einladen. Und wie die Küche ein sinnlicher Ort ist, so soll auch mein Laden ein kreativer, sinnlicher Treffpunkt sein. Außerdem habe ich auch immer viele Kräuter und essbare Blüten im Angebot.”
Das ist das Schöne an so einem Laden: Man hat direkten Kontakt zu seinen Kunden. “Manche Kunden habe ich schon bei vielen wichtigen Stationen des Lebens mit meinen Blumen begleitet. Hochzeit, Taufe, Geburtstage. Blumen berühren etwas in uns, sie sprechen alle Sinne an. Und auch in traurigen Lebensphasen helfen uns Blumen, geben uns Halt.”
Welche Blumen bringen Sie einer traurigen Freundin mit? möchte ich wissen. “Einen dicken Strauß mit vielen kleinen Blüten, der aussieht wie frisch gepflückt.”
Blumen bedeuten Leben, sie verändern sich von Tag zu Tag. Knospen springen auf, Stiele biegen sich, erste Blütenblätter fallen…
Handwerk
“In diesem Beruf kannst Du nur gut sein, wenn Du über eine Schwelle gehst, die weh tut”, erklärt mir Claudia Lange. Und dafür, dass sie in der Nacht um halb 2 aufgestanden ist, um auf dem Blumengroßmarkt ein üppiges Sortiment schönster Blumen zu kaufen, sieht sie erstaunlich wach aus. “So schön der Beruf ist, so hart ist er auch. Schweres Tragen, eiskalte, von stachligen Gewächsen geschundene Hände, frühes Aufstehen.” Die Liebe verlangt Opfer. Ihre Blumen kauft sie vor allem bei den Bauern aus dem Hamburger Umland. ‘Vierländer Blumen’ gehören zu den schönsten überhaupt und sie möchte die Familienbetriebe unterstützen. “Ich kenne alle Bauern, manchmal sind es ganz kleine Betriebe, die wunderbare Blumen anbieten.” Anschließend ist sie bis abends im Geschäft für ihre Kunden da. “Die Floristen, die ich kenne, sind meistens gut gelaunt. Ich glaube, es liegt an dem schönen Umfeld, umgeben von Leben, in dem sie arbeiten”, vermutet sie.
Und der Nachwuchs?
Nachschub an Blumen gibt es genug, aber Mitarbeiter oder gar Auszubildende zu finden, ist sehr schwer. Florist möchte heute kaum mehr ein junger Mensch werden. Die Bereitschaft, sich auf die harte Arbeit und und die geringen Verdienstaussichten einzulassen, gibt es kaum noch.
Viele Blumengeschäfte sind schon aus Städten und Dörfern verschwunden. Vielen Kunden reicht die Blumen-Bundware aus Supermärkten und Discountern.“Ich glaube, es wird bald nur noch wenige Floral-Designer geben, die auf sehr hohem Niveau arbeiten und dann die großen Händler und Blumenketten”, so Claudia Lange.
Ich hoffe, dass wir in unserer mehr und mehr digital durchorganisierten und optimierten Umgebung noch lange die Chance haben, uns in kleinen, inhabergeführten Geschäften von einem ganz persönlichen Angebot verzaubern und inspirieren zu lassen. Kreativität, Fantasie und Empathie sind zutiefst menschliche Eigenschaften, die uns gut tun und auf die wir nicht verzichten sollten. Nehmen wir uns doch die Zeit, den Blumenladen zu besuchen. Auf ein Wort, auf eine Begegnung und ein glückliches Gefühl beim Auswickeln unserer frischen, wunderschönen Blumen…
“Ich liebe Läden. Ich finde das amüsant. Es ist nicht nur wichtig, dass man etwas kauft, sondern wie man es kauft.”
Karl Lagerfeld
Aktuelles: Liebe Leser, Claudia Lange gibt Ende September 2019 ihren hübschen Blumenladen an der Isestraße an eine andere Floristin ab. Ab dem 24. Oktober wird die Hamburger Floristin Stefanie Kehr mit Floristik und Interieur den Laden neu gestalten und übernehmen.
Buchempfehlung
Der Blumenladen L’Etoile Manquante – der fehlende Stern – ist einer jener Orte, an dem es sich lohnt zu warten, dass die Tür auf geht. …
Wenn Sie Lust haben, noch einen bezaubernden Blumenladen, mitten in Paris, Saint-Germain-Des-Prés kennenzulernen, kann ich Ihnen den Roman ‘Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta’ von Maxim Huerta nur ans Herz legen. Der charmante Besitzer, Monsieur Dominique, ist 74 Jahre alt und hat nicht nur einen besonderen Sinn für Blumen, auch für seine Kunden hat er ein besonderes Gespür. Als eines Tages die junge Spanierin Violeta den Laden betritt und das kleine Blumenparadies des älteren Herrn entdeckt, nimmt eine zauberhaft zarte Geschichte um Liebe, Erinnerungen, Sehnsucht, die Magie der Blumen und die Spuren der Zeit ihren Lauf.
Ein leises, poetisches Buch, mit liebevoll gezeichneten Charakteren, das einfach ein gutes, glückliches Gefühl hinterlässt.
(360 Seiten, Thiele & Brandstätter Verlag (1. Februar 2019)
Schade, dass es diesen tollen bunten Blumenladen mit Frau Claudia Lange nicht mehr
sooo gibt, wie er war.….kreativ, mit tollen Kleinigkeiten und außergewöhnlichen Farben
und Blumen…Frau Lange hat immer außergewöhnliche Kompositionen angeboten.Sie war bescheiden und freundlich wie auch ihre Mitarbeiterinnen…alle ihre Blumen standen
immer viele Tage in meiner Wohnung oder Praxis.
Wenn ich in ihrem Laden oder auch davor war, hatte ich gleich positive Gefühle durch die
schönen Blumen, die sie anbot in einem ganz lieben künstlerischen Stil.…sie hatte Achtung und Respekt für ihre Blumen und ihre Kunden.…
Ich bin oft und gerne an ihrem Laden vorbeigegangen, um positive Gefühle aufzunehmen.…
die ich noch HEUTE abrufen kann.…Eine gute Zeit und viele schöne Erlebnisse wünsche ich Frau Claudia Lange.…..ihr Blumenladen war etwas “Einmaliges”.
Dr.Birgit Werner
Liebe Frau Dr. Werner, vielen Dank für Ihre wunderbaren Worte! Sie beschreiben genau das, was so einen kleinen, persönlich geführten Laden ausmacht. Die Ästhetik, die Persönlichkeit, die Leidenschaft und Freundlichkeit, die uns an einem so einzigartigen Ort begegnen und uns positiv berühren. Es ist ein Stückchen der ganz analogen Welt, die wir uns unbedingt bewahren sollten! Ich hoffe, dass Blumen weiterhin für positive Gefühle in Ihrem Leben sorgen und in Ihrer Praxis Ihren Patienten Freude bereiten werden. Es grüßt Sie herzlich Larissa Wasserziehr
Vielen Dank für diesen Einblick in die Floristik. Es stimmt, dass Blumenhändler einen anstrengenden Job haben, da sie oft früh zum Großmarkt fahren müssen, um dort die schönsten Blumen zu erstehen. Ich bin auch fasziniert von der Floristik, deswegen informiere ich mich derzeit zu dem Thema.
Es freut mich, dass Ihnen der Beitrag gefällt. Ich glaube, wenn man eine echte Leidenschaft für diesen Beruf entwickelt hat, lassen sich die Anstrengungen gut verkraften. Viele Floristen, die ich kenne, sind mit soviel Freude und Begeisterung dabei, dass ich den Eindruck habe, es ist der schönste Beruf der Welt für sie. Herzliche Grüße! Larissa Wasserziehr